Seit heute wird im Kunstmuseum Bonn eine ganz besondere Ausstellung präsentiert, eine Mitmach-Ausstellung, die im Laufe der Zeit wächst, weil die Besucherinnen und Besucher mit dem Künstler Frank Bölter weitere XXL-Origami-Exponate falten. Nun ist das Museum leider derzeit wieder geschlossen, aber bei der virtuellen Vernissage, die via Zoom übertragen wurde, waren über 70 Interessierte dabei, sogar aus der Schweiz, wie im Chat deutlich wurde.

Die Ausstellung „ultra all inclusive“

In der Ausstellung sind derzeit bereits einige übergroße Origami-Modelle zu sehen, ein Ufo, ein Klavier und den Rest konnte ich beim Schwenken der Kamera nicht so schnell erkennen 🙂 Wichtig ist ja auch, dass es etwas zu sehen gibt und Gäste nicht in einem leeren Raum stehen und auf neue Ergebnisse warten müssen. An den Wänden sind Regale mit Origami-Figuren und Rahmen mit großen Faltanleitungen, sodass jeder am Aktionstisch gleich beginnen kann, die Modelle nachzufalten.

Das Besondere an der Ausstellung ist aber, dass bis Ende August zusammen mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern XXL-Origami-Modelle entstehen sollen. Frank Bölter, der die Ausstellung zusammen mit dem Kunstmuseum Bonn entwickelt hat, hat Erfahrung mit solchen Projekten.

Der Papierkünstler Frank Bölter

Frank Bölter, Aufnahme während der Zoom-Vernissage am 18.04.2021

Frank Bölter ist nicht nur Papierkünstler, aber in dieser Ausstellung geht es um diese Facette seines Schaffens. Angefangen hat alles damit, dass er nach Abschluss seines Kunststudiums in Münster Langeweile hatte und nicht gleich wusste, wie es nun weitergehen könnte. Er hatte die Idee im Kopf, etwas Großes aus Papier zu bauen, in einer Studentenbude alleine würde das schwierig werden. Bei der Suche nach Menschen, die – seiner Meinung nach – Zeit haben könnten, mit ihm etwas Großes zu falten, stieß er auf ein Kloster in Frankreich. Er fragte an, ob die Mönche ihm helfen könnten und bekam eine Absage. Die Mönche hätten gerade keine Zeit, sie müssten ihre ganze Zeit nutzen, um für die Erdbebenopfer in der Türkei zu beten. Ein großes Argument gegen Frank Bölters Projekt, aber wer so groß denkt, ist vielleicht doch auch bereit, Bölters großes Faltprojekt zu unterstützen. Der Künstler fuhr einmal mal los und hat damit wieder einmal bewiesen, dass manche Dinge nur dadurch groß werden, weil jemand nicht locker lässt. Die Mönche halfen Frank Bölter und fragten ihn, ob das fertige Werk denn auch schwimmen und vielleicht sogar einen Menschen transportieren könne. Frank Bölter hat es ausprobiert, vier Monate war er unterwegs mit seinem Papierschiff. Nicht die ganze Zeit mit dem allerersten, das versank bei der Ankunft in einem Ort in der Nähe des Klosters. Neben einem Campingplatz, auf dem viele Menschen waren, die Frank Bölter halfen, ein neues Schiff zu falten. Was für eine Story!

Seither hat Frank Bölter weitere große und kleine Aktionen mit XXL-Origami realisiert. 2021 möchte er mit den Besucherinnen und Besuchern des Kunstmuseums Bonn Exponate für die Ausstellung „ultra all inclusive“ falten. Mit diesem Vorhaben passt er genau in die Zeit, nicht, weil ein Museumsbesuch gerade nicht möglich ist. Aber seine Projekte zeigen, dass manche Ziele nur in der Gemeinschaft realisiert werden können. Darüber reden wir gerade jeden Tag, dass alle sich rücksichtsvoll verhalten müssen, damit die Gemeinschaft bald aus der Pandemie herauskommt. Wer das noch immer nicht verstanden hat, sollte die Ausstellung im Kunstmuseum Bonn besuchen, die hoffentlich bald wieder und dann bis zum 29. August 2021 geöffnet ist.

Vernissage-Talk

Exponat aus der Ausstellung „Ufo“ – vom Laptop abfotografiert während der Zoom-Vernissage

Die Vernissage heute von 11 bis 11.45 Uhr fand online über Zoom statt. Es waren über 70 BesucherInnen angemeldet und da manche mit Video online waren, konnte man sie zuhören und mitfalten sehen. Die Vernissage begann, wie man es von anderen Ausstellungseröffnungen kennt, mit einer musikalischen Darbietung 🙂 – ich gebe zu, ich wollte auch schon in den Chat schreiben, dass man den Ton anstellen solle, erkannte aber noch rechtzeitig, dass der Musiker auf einem Papier-Flügel spielte. Passend zum verlängerten Beethoven-Jahr die „Ode an die Freude“ . Eine tolle Idee, den Kabarettisten Dirk Tillack als Pianisten einzubinden, vermutlich sah der eine oder die andere – mich eingeschlossen – ein bisschen aus wie das Publikum vom „Hurz“ mit Hape Kerkeling 🙂 Als wir uns zu Ende amüsiert hatten, ging es zum Ausstellungsthema.

Zunächst sollten wir ein Ufo falten, daran bin ich schon gescheitert 🙂 Ok, ich habe es auch gar nicht versucht. Damit wollte der Künstler demonstrieren, weshalb er sich für Origami als Technik für seine Gemeinschaftsprojekte entschieden hat: Fordert man Leute auf, etwas zu zeichnen, zieren sie sich und erklären, dass sie nicht zeichnen könnten. Bittet man sie jedoch, etwas zu falten oder mitzufalten, sind sie gerne dabei, eine Erfahrung, die ich aus verschiedenen Projekten beschäftigen kann, Falten geht immer. Deshalb wurden wir nach den Einführungsreden auch angeregt, zu Hause ein „Himmel & Hölle“ zu falten. Währenddessen faltete Frank Bölter mit drei Kindern ein überdimensionales „Himmel & Hölle„, das so groß wurde, dass alle vier ihre Köpfe in den Fingermulden verschwinden lassen konnten.

Mein Fazit: Im Sommer, wenn hoffentlich wieder Museumsbesuche möglich sind, muss ich ins Kunstmuseum, um mir anzuschauen, was bis dahin entstanden ist.

Weitere Informationen:

www.kunstmuseum-bonn.de

Website von Frank Bölter mit Fotos von weiteren Aktionen

Ein Hinweis zu den Fotos: Zwei Fotos habe ich vom Laptopscreen fotografiert und hoffe, dass Frank Bölter nichts dagegen hat. Für das Beitragsbild habe ich die Papierschifffahrt nachgestellt, nachdem ich zufällig gestern die Figuren für die H0-Modellstadt wiedergefunden habe 🙂

Das abgebildete Steckorigami-Herz habe ich während der Vernissage gefaltet, ein positiver Aspekt davon, dass sie nur online stattfinden konnte 🙂