Für meine Ostervorbereitung habe ich wieder einmal ein altes Bastelbuch herausgeholt: „Schnipsel, Schnapsel“, das 1958 im Verlag Rudolf Forkel erschienen ist und tatsächlich – zumindest für mich – neue Anregungen für Faltschnitte enthält und zugleich eine spannende Zeitreise in die deutsche Geschichte der 1950er-Jahre ermöglicht.

Über das Buch „Schnipsel, Schnapsel“

Auf dem Titel steht als Untertitel „Anregungen zu allerlei Buntpapier-Schnipseleien“, etwas prosaischer heißt es auf dem Schmutztitel (erste Seite innen mit Titel): „Ein Heft über das Erlernen und Verwenden von Faltschnitten“. Auf der Rückseite wird deutlich, an wen sich das Buch richtete: Betriebsberufsschule Heinz Kapelle Pößneck, dort wird auch deutlich, dass es aus der ehemaligen DDR stammt und – letzte Innenseite – vom „Deutschen Zentralinstitut für Lehrmittel genehmigt“ wurde.

Das Vorwort richtet sich an Kinder, dort wird in einer Nachbemerkung auch darauf verwiesen, dass das Heft für Haus, Heim und Schule gedacht ist. In dieser ersten Anleitung wird den Kindern empfohlen, wenn sie noch keine Erfahrung mit Faltschnitten haben, erst einmal einfache Figuren wie Tasse, Haus, Blüte, Baum, Tier auszuschneiden und erklärt, was ein Faltschnitt ist: „Bei einem Faltschnitt wird eben nicht aus einem einfachen Blatt irgendeine Form oder Figur herausgeschnitten, sondern es wird ein einfach gefaltetes oder auch mehrfach gefaltetes Blatt bearbeitet.“

Anregungen für Faltschnitte

Das Buch enthält durch den Jahreslauf verschiedene Anregungen für Faltschnitte und Beispiele für Collagen aus Faltschnitten. Ich gebe zu, dass ich diese Idee in dieser Form zum ersten Mal gesehen habe. Sterne als Faltschnitte mit Transparentpapier hinterklebt, kenne ich seit meiner Kindheit und Scherenschnitte in Kombination mit Buntpapier habe ich vor einigen Jahren in einer Ausstellung von Erika Schirmer kennengelernt. Aber die Kombination von Faltschnitten, wie ich sie hier nachgeschnitten habe, finde ich spannend. Interessant finde ich die Bezüge zur DDR in dem Buch, auch das habe ich so noch nicht gesehen, obwohl ich schon einige Bücher aus jener Zeit habe. Da sind zum einen die Faltanregungen zum 1. Mai mit dem Hinweis. „Diese Motive lassen sich auch gut zur Ausschmückung von Propagandablättern für Sammelaktionen verwenden“, dafür wird besonders die Taube empfohlen – auf dieser Seite findet sich übrigens auch die Flagge der DDR.

Zu Ostern finden sich Hasen und Ostereier und zu Pfingsten ein Blumenkranz sowie eine Vase mit Blumen. Neu in einem Bastelbuch war – für mich – die Anregung zum basteln für den „Internationalen Kindertag“ unter dem Motto „Freundschaft mit allen Kindern der Welt!“ Es wird vorgeschlagen, den Kindertag mit einer Wandzeitung und Freundesbriefen beworben werden soll, für die sich Faltschnitte gut eignen. Zu Weihnachten, das unter das Motto „Frieden allen Völker auf Erden!“ gestellt wird, findet sich neben einer Girlandenkette namens „Völkerfries“ aus Figuren unterschiedlicher Kulturen ein Nussknacker, ein Tannenbaum und ein Engel – da musste ich etwas schmunzeln, weil es doch immer heißt, dass die in der DDR „Jahresendflügelfiguren“ o.ä. hießen, erwähnt wird der Begriff hier nicht, aber ich habe das Wort „Volksfries“ gelernt.

Mein Fazit

Das Buch („Schnipsel, Schnapsel“, zusammengestellt und ausgestaltet von E. Kallista aus dem Verlag Rudolf Forkel 1958) hat mich einerseits inspiriert, wieder einmal meine Faltschere hervorzuholen und mit Papier und Schere zu experimentieren. Andererseits ist das Buch ein Stück Zeitgeschichte, das auf der einen Seite verrät, wie in dem sozialistischen Teil Deutschlands politische Bildung nebenbei funktionierte, und auf der anderen Seite zeigt, dass es länderübergreifende Kulturtechniken gibt, denn der Faltschnitt-Stern findet sich auch in Bastelbüchern aus jener Zeit, die in der BRD erschienen sind, und er scheint auch in den USA Tradition zu sein, sonst gäbe es ja den „Make-Cutout-Snowflakes“-Tag nicht 😊

Meine ersten Experimente 🙂

Und das hier sind die allerersten Versuche – aber ohne Vorzeichnen, nach den Vorlagen frei ausgeschnitten 🙂