KlecksographieIch wusste nicht, dass die Technik aus der das nebenstehende Bild – übrigens aus meiner Kindergartenmappe! – entsteht Klecksographie heißt. Vermutlich ist das kaum jemandem bekannt, der Dichter Justinus Kerner hat den Begriff vor Jahrhunderten geprägt und im Schiller-Nationalmuseum kann man einige seiner unglaublichen Klecksographien bestaunen.

Als ich diesen Beitrag postete, wusste ich noch nicht, was genau PapierZen ausmachen sollte. Heute passt der Beitrag nicht mehr, aber ich finde es so interessant, dass man das, was wir im Kindergarten alle gemacht haben, als Klecksographie bezeichnet, dass ich ihn hier doch stehen lasse.

Das Prinzip ist ganz einfach:

  • Man faltet ein Blatt in der Mitte.
  • Verteilt auf einer Hälfte einige Tropfen flüssiger Farbe (ich will das mal mit Acrylfarbstiften versuchen).
  • Klappt das Papier zusammen und drückt die Seiten leicht aufeinander, damit sich die Farbe auf die leere Hälfte überträgt.
  • Klappt es wieder auf, staunt über das Ergebnis und lässt es trocknen.

Schon ist die Basis für ein Lesezeichen, eine Grußkarte, eine Geburtstagseinladung gelegt oder es ist einfach nur der Alltag ein wenig in den Hintergrund gerückt.

In einem Artikel  habe ich ausführlich erklärt, was es mit Justinus Kerner und der Klecksographie auf sich hat:

23.10.2014 Wie ich durch Justinus Kerner die Klecksografie kennenlernte

So ganz stimmt der Titel des Beitrags nicht. Ich kenne die Klecksografie schon seit der Kindergartenzeit wie nebenstehendes Beispiel beweist. Allerdings wusste ich bis zu meinem Besuch im Schiller-Nationalmuseum nicht, dass diese Faltbilder „Klecksografie“ heißen. Wikipedia tut so, als müsste man das wissen. Immerhin wusste ich, dass diese Bilder als Rorschach-Test Teil eines psychologischen Testverfahrens sind, aber das war es dann schon.

Im Klassik-Flügel des Schiller-Nationalmuseums stand ich plötzlich vor mehreren solcher Faltbilder, die von Justinus Kerner stammten. Justinus Kerner war ein schwäbischer Dichter und Schriftsteller, den ich bisher eher der Heimatliteratur zugeordnet hatte. Vermutlich, weil eines seiner Gedichte im „Pinguin“ vorkam und das eher heimatorientiert war. Dass er darüber hinaus solche pfiffigen, teils frechen Kunstwerke gestaltete, hatte ich noch niemals gehört oder gelesen.

Justinus Kerner war 30 Jahre jünger als Schiller, er ist am 18. September 1786 in Ludwigsburg geboren und am 13. Februar 1862 in Weinsberg gestorben. Das war es ermutlich, was ihn in meiner Erinnerung zum Heimatdichter machte. Den größten Teil seines Lebens verbrachte er in Württemberg, auch wenn er Freunde in Hamburg und München hatte und sogar einer Münchener Autorengruppe angehörte.

Nicht erwähnt wird bei Wikipedia, dass es von Justinus Kerner aus dem Jahr 1890 ein Buch mit dem Titel „Kleksographien“ gibt. Das Vorwort ist datiert auf „Februar 57“, er hat das Buch also zumindest fünf Jahre vor seinem Tod vorbereitet. In dem Werk weist er darauf hin, dass man schon in seiner Jugend „durch Zerdrückung von kleinen färbenden Beeren, ja gar Fliegenköpfen und so weiter auf zusammengelegtem Papier ohne Kunst, ohne Hilfe von Bleistift und Pinsel, Zeichnungen hervogehen sah“. Als er aufgrund seiner wachsenden Erblindung unachtsam mit der Tinte wurde, machte er aus der Klecks-Not auf dem Schreibpapier eine Tugend. Er begann, das was eher zufällig begann, zu trainieren und brachte unter anderem die Klecksographien zustande, die heute im Schiller-Nationalmuseum hängen.

Kerner versah seiner Werke zunehmend mit Versen und stellte fest, dass seine Klecksographien auf immer größeres Interesse stießen und sogar Stuttgarter Frauen für wohltätige Zwecke um eine Klecksographie-Spende baten. Aus dem, was er zufällig entdeckte, wurde eine Mode unter den Schwaben und über die Grenzen der Region hinaus – „selbst in Schulen oft zum großen Jammer der Lehrer“.

In der Schrift über die „Klecksographie“ räumt Kerner auch auf mit dem Verdacht, er sei der Erfinder des Begriffs. Er schreibt: „Schon vor sieben Jahren gab ein geistreicher Freund der Kunst und des Humors der Art, solche Bilder aus Tintenklecksen zu machen, den Namen der Kleksographie.“ Und dann beschreibt er, wie die Bilder entstehen. Wir kennen das, auf eine Blatthälfte Tinte tropfen, das Blatt falten und es „dann mit demBallen oder em Finger der Hand“ bestreichen. Er findet bemerkenswert, dass die entstehenden Gebilde „sehr oft den Typus längst vergangener Zeiten aus der Kindheit alter Völker tragen, wie zum Beispiel Götzenbilder, Urnen, Mumien und so weiter. Das Menschenbild wie das Tierbild tritt da in den verschiedensten Gestalten aus diesen Kleksen hervor, besonders sehr häufig das Gerippe des Menschen. Wo die Phantasie nicht ausreicht, kann manchmal mit ein paar Federzügen nachgeholfen werden, da der Haupttypus meistens gegeben ist.“

Faszinierend, oder? Jetzt weiß ich auch, was ich mit der restlichen Tinte aus meinem Tintenfass mache!

Die Bilder sind zu sehen im Schiller-Nationalmuseum in Marbach.

Das Buch wurde von der Uni Heidelberg digitalisiert, sodass sich Neugierige auch fern von Marbach einen Eindruck verschaffen können.

Link zur digitalen Fassung des Buches „Kleksografien“ von Justinus Kerner bei der Uni Heidelberg http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kerner1890/0001?sid=5fc3776d25a2f47a66a302e0512e6984

Einleitung und Beispiele Kerners http://www.goethezeitportal.de/wissen/illustrationen/justinus-kerner/kleksographien.html