Himmel & HölleÜber Papierfalten kommt man immer ins Gespräch. So auch am Freitagabend nach der Premiere im Theater an der Volme. Es ging um eine der Faltfiguren, die wir alle kennen: Himmel & Hölle. Dennoch ist der Titel richtig, was wir alle unter der Bezeichnung „Himmel & Hölle“ kennen, heißt bei Friedrich Fröbel Salz & Pfeffer und wird auch Salt Cellar, Fortune Teller oder Cootie Catcher bekannt. Fortune Teller klingt doch gleich viel freundlicher, als wenn man nur die Wahl zwischen Himmel und Hölle hat. Wer diese Figur erfunden hat, weiß keiner genau, fest steht, dass es durch Friedrich Fröbel und seine Kindergärtnerinnen schon Mitte des 19. Jahrhunderts verbreitet und zusammen mit seiner Kindergartenidee in die Welt getragen wurde. Erstmals in einem Buch tauchte das Faltspiel 1859 in dem Buch „Patrique des Jadrins d’Enfants“, herausgegeben von J.F.-Jacobs, als „salt cellar“ auf.  Ich habe diese Anleitung in einem Buch von B. von Marenholz-Bülow aus dem Jahr 1887 gefunden:

„Salz- und Pfefferfäßchen“ (Tafel II, Figur 24). Nun breche die Ecken der Quadrate von innen nach außen und lege dann alle Ecken in den Mittelpunkt der Grundform zurück; jedes Quadrat ist jetzt in ein zu bewegendes und ein nicht zu bewegendes Dreieck geteilt. Man lege die Ecken der zu bewegenden Dreiecke in den Mittelpunkt der Diagonal und die so entstandenen vier Trapete auf die nicht zu bewegenden Dreiecke. Auf der Seite der Dreiecke drücken man mit dem Zeigefinger der rechten Hand den Mittelpunkt der Form in die Höhe, während man mit der linken Hand die vier Näpfchen bildet.“ (Marenholz-Bülow 1887, S. 90)

Alles klar? Ich hätte die Form nach dieser Anleitung auch nicht hinbekommen. Hier ist meine Anleitung für diejenigen, die sie vergessen haben.

Ich habe auf die Ziffern verzichtet, weil das Falten einfach ist, wenn man wieder weiß, wie man anfangen muss.

  1. Die gewünschte Außenseite nach unten legen.
  2. Eine Ecke des Papiers zum Bauch drehen und das Papier in der Mitte falten, sodass die Diagonale entsteht.
  3. Das Blatt wieder öffnen und so hinlegen, dass eine Ecke, in der noch keine Faltung ist, vor dem Bauch liegt. Wieder in der Mitte falten und das Papier öffnen.
  4. Nun alle Ecken zum Mittelpunkt falten.
  5. Das gefaltete Werk wenden, sodass die gefaltete Seite nach unten liegt.
  6. Alle Ecken bis zum Mittelpunkt falten.
  7. Das fertige Werk quer in der Mitte falten, öffnen, drehen und noch einmal in der Mitte falten. Das hilft dabei, die Himmel- und Hölle-Form zu erreichen.
  8. Daumen und Zeigefinger beider Hände in die Taschen an der Unterseite der Faltfigur stecken und sie ein bisschen bewegen. Fertig!

Was tun mit Himmel & Hölle?

Die Verwendungsmöglichkeiten dieses Elements sind vielfältig.

Das Orakel geht zum Beispiel so: Auf die inneren Dreiecke des Spiels werden Wünsche geschrieben, Namen von Schwärmen oder Glückwünsche wie Geld, langes Leben, Gesundheit, einen guten Job. Auf die Außenseiten werden Zahlen geschrieben. Der erste Spieler nimmt nun das Himmel- und Hölle-Spiel und bewegt es mehrmals, dann muss der zweite Spieler die Ziffer nennen, die das Schicksal bestimmen wird. Erstmals veröffentlicht wurde die Idee, das Faltspiel als „Film Star Oracle“ zu nutzen 1959!

Als Fingerpuppe bekommen zwei der Quadrate Augen und dort, wo man das Element klappt ist natürlich der Mund. Auch die Fingerpuppe ist keine Erfindung unserer Zeit, sie wurde bereits 1962 in einem Buch von Shari Lewis und Lilian Oppenheimer vorgestellt.

Himmel & HölleNatürlich kann es auch in Anlehnung an seinen Namen als „Fäßchen“ für kleine Naschereien genutzt werden und ich habe viele Himmel- und Hölle zu einem Stern zusammengesteckt, weil ich so viel Spaß daran hatte, die Dinger zu falten und nicht wusste, wohin mit den fertigen Faltelementen. Was ich noch nicht geschafft habe, eine Lampe aus Himmel- & Hölle-Elementen zu gestalten, dazu gibt es im Internet einige Anleitungen, hier ist eine umfangreiche und gut verständliche Beschreibung von La Reine aka Sabrina aus Köln.

Ein Nachtrag vom 5. November 2019: Kinder in Gotha haben mir erzählt, dass sie diese Form als „Nasenzwicker“ kennen, weil man damit jemandem in die Nase zwicken kann 🙂 Auch schön, oder?

Quellen

B. von Marenholtz-Bülow: 115 Tafeln zum zweiten, praktischen Teil des Handbuchs der Fröbelschen Erziehungslehre. Kassel 1887
David Mitchell: „The Salt Cellar / Fortune Teller / Cookie Catcher“ (o. J., Stand: 29.07.2017)
Himmel & Hölle Papier-Faltspiele. Münster 1985

Nachtrag vom 2. April 2021: Gerade habe ich gesehen, dass dieses Modell auf einer Seite über „Traditionelle Origami“ als „Farbwechsler“ bezeichnet wird.

Nachtrag vom 12. Mai 2021: Und jetzt habe ich dieses Kunstprojekt auf der Basis dieses Faltmodells entdeckt: https://artjournal.collegeart.org/?p=15302

Nachtrag vom 25. Juni 2022: Als ich gestern Abend mal wieder in alten Origami-Büchern blätterte, entdeckte ich noch den Namen „Zauberschnabel“ 🙂 (Ruth Böhm: Falten und Gestalten mit Papier. Auer Verlag 1997) und in dem Buch „Origami. Die Kunst des Papierfaltens“ von Robert Harbin aus dem Jahr 1968 (Erstauflage) heißt diese Form auch „Farbwechsler“. Ich bin gespannt, welche Namen noch so auftauchen – ok, die japanischen Bücher kann ich leider nicht lesen 🙂