Es fing alles damit an, dass ich in der Papierskulpturen-Ausstellung in Heilbronn Fotos von Papierfaltungen aus dem Vorkurs von Josef Albers am Bauhaus sah. Meine Neugier war geweckt und ich stellte fest, dass Josef Albers seine Studenten unter anderem im Vorkurs Papier falten ließ. Bei der Recherche begegnete mir ein Vorkurs im Rahmen eines Commercamps in der Bundesschule Bauhaus-Denkmal in Bernau, übrigens einem echten Unesco-Weltkulturerbe!

Der Vorkurs von Eric Gjerde in der Summerschool

Nicht von mir! Super, oder?

In Bernau befindet sich das Bauhaus-Denkmal Bundesschule, das mit den anderen Gebäuden des Bauhauses in Dessau und Weimar zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. In dem Denkmal finden unter dem Titel Internationale Sommerschule zwei Wochen lang interdisziplinäre Kurse mit Bezug zur Architektur statt. In diesem Jahr werden die Kurstage eingeleitet durch einen Vorkurs in Anlehnung an Josef Albers. Der amerikanische Papierkünstler Eric Gjerde stellt zwei Wochen an fünf Tagen je eine Form der Papierbearbeitung vor und neben den Summerschool-Teilnehmern ist jeder eingeladen, der Lust am Falten hat. Die habe ich und musste daran teilnehmen, um mich zum einen Josef Albers-Papierarbeiten zu nähern und Eric Gjerde kennenzulernen, an dem man bei der Recherche zum Thema Origami und Papier falten nicht vorbeikommt. Beides war toll und inspirierend, soviel kann ich schon verraten.

By-the-way-Informationen im Vorkurs

Wenn ich mich mit einem Thema beschäftige, will ich es immer möglichst durchdringen und alles darüber wissen. Auch dafür gab es beim Vorkurs Gedankenfutter. So habe ich erfahren – verrückt, was es gibt – dass der Japaner Jun Maekawa nicht nur Origamikünstler ist, sondern auch noch das Verhältnis von Berg- und Talfalten und andere Origami-Elemente in mathematische Prinzipien übersetzt hat. Sachen gibt es, für die Figur oben zum Beispiel gilt die Formel Talfalten = n (Bergfalte) + 2, sprich für jede Bergfalte braucht es drei Talfalten. Klingt kompliziert und ich bin froh, dass das für meinen Faltansatz nicht relevant ist. Noch nicht gefaltet habe ich die Miura-Faltung, mit der in Japan Straßenkarten und auf der ganzen Welt Satelliten gefaltet werden. Da folgt ein Muster noch, denn ich habe kein Geodreieck mit in den Urlaub genommen. Auch meine Lieblingsfigur (siehe Foto oben rechts) habe ich noch nicht gefaltet, weil sie den Zeitrahmen gesprengt hätte. Aber dadurch habe ich von Frank van Kollem erfahren, einem Niederländer, dessen Mutter nach seinem Tod einen Koffer voller außergewöhnlicher und auch neuartiger Faltfiguren fand, alle mithilfe einer Spezialbrille winzig klein gefaltet. Ja, sagt es ruhig, Papierfalter sind ein wenig crazy, dabei profitiert ihr alle jeden Tag von Papierfaltungen, doch dazu gibt es später einen Extrablogbeitrag. Aber geknüllt und geknittert habe ich – der Meister dafür ist Vincent Floderer, von ihm hat Eric Gjerde es gelernt. Das ist eine interessante Technik, die sich auch gut für die Arbeit mit Kindern eignet oder zur Stärkung der Handmuskulatur.

Eric Gjerde und der Vorkurs

Von Haus aus und im Hauptberuf ist Eric Gjerde im Computerbereich tätig. Als er vor gut zehn Jahren nach einem Weg gesucht hat, sich für einige Zeit vom PC zu lösen, hat er sich auf seine Falterfahrungen als Kind besonnen. Das kommt mir doch sehr bekannt vor 🙂 Heute gehört er zu den angesagten Papierkünstlern und wird eingeladen, im Rahmen von Kunst-Festivals seine Installationen zu präsentieren. Das werden dann mehrere hundert Meter lange Schlangen aus Faltmodulen oder auch zimmerfüllende Skulpturen. Auf www.ericgjerde.de kann man sich davon einen Eindruck verschaffen. Während ich mit einzelnen kleinen Modulen arbeite, orientiert er sich bei seinen Faltungen auf Wege, aus einem Blatt Papier möglichst lebendige Strukturen zu schaffen. Auch sehr faszinierend und ich werde versuchen, da einen Text unterzubringen, eine Idee habe ich schon 🙂 An den ersten drei Tagen haben wir im Vorkurs drei verschiedene Möglichkeiten, Papier zu falten, kennengelernt. Am vierten Tag wurde gefaltet und geknüllt, aber nicht wild, sondern nach einem vorgegebenen Prinzip, sodass hübsche Strukturen entstanden. Der vierte Tag schließlich stand im Zeichen der Schere. Es wurde nur wenig gefaltet und die Effekte wurden durch gezielte Schnitte erreicht. Dazu gehörte eine Art „Girlandenmännchen“, wie wir sie aus der Kindheit kennen, aber auch interessante Netze und schließlich die Pop-Up-Schnitttechnik, die auf Fotos vom Bauhaus-Vorkus am häufigsten zu sehen ist. Manche Faltung habe ich nachmittags gleich im Hotel nachgefaltet :-), die anderen Techniken hole ich nach, leider warten am Ende der Kreativ-Recherche-Zeit Arbeit und ein paar weniger schöne Themen. Aber ich kenne ja nun weitere Wege, mich mit Papier zu entspannen 🙂 © Birgit Ebbert

Weitere Informationen: www.summerschool-bernau.de

Quellen

Werklehre bei Josef Albers 1923-1933 (Bauhaus-Archiv)
Folien über Entwicklung und Inhalte des Vorkurses (auf S. 27 gibt es ein Bild von vor 90 Jahren zur gleichen Faltung, wie wir sie heute umgesetzt haben!)
Statement Hannes Beckmann in „Harmonie in 1000 Falten“ (MZ-Web 15.09.2004)